Strafrecht

"Die Strafanzeige" oder der amtliche Prüfer als Beschuldigter

Keine lange Vorrede!

Zwei goldene Regeln:

  1. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sind Sie als amtlicher Prüfer zunächst verpflichtet, den TP-Leiter oder die amtlich anerkannte Überwachungsorganisation über die Einleitung eines straf- bzw. bußgeldrechtlichen Verfahrens zu informieren.
  2. Machen Sie jedoch keine Angaben gegenüber der Polizei oder anderen Strafverfolgungsbehörden. Schweigen ist GOLD!!
1. Wie kommt es zu einem Strafverfahren?

Ein Strafverfahren kann durch eine Privatperson (Anzeige) oder auch durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei von Amtswegen eingeleitet werden. Jeder hat das Recht, eine Strafanzeige entweder direkt bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft oder auch im Internet zu erstatten. Besteht ein sog. Anfangsverdacht, muss die Behörde dieser Anzeige nachgehen.

2. Kann ich jeden anzeigen?

Ja! Ich muss nur selber mit strafrechtlichen Folgen rechnen, wenn ich eine Anzeige erstatte, die sich später als wahrheitswidrig herausstellt. Hier kommt u. a. in Betracht, dass der Anzeigenerstatter ein eigenes Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung (§164 StGB) oder auch Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) erhält.

3. Es liegt eine Anzeige gegen mich vor!

Hier sollte auf keinen Fall mit der Polizei Kontakt aufgenommen werden und es sollte ein Anwalt eingeschaltet werden. Erste Hinweise erhalten Sie als im pdf-Dokument herunterladbaren Flyer.

4. Kann ich einen Anwalt beauftragen und wer zahlt dafür?

Sie können zu jeder Zeit des Verfahrens einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Die Kosten der Beauftragung des Verteidigers sind im Einzelfall zu klären, da im Strafrecht nur in Ausnahmefällen die Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig ist. Grundsätzlich übernimmt die Rechtsschutzversicherung keine Leistungen, die sich auf ein sog. Vorsatzdelikt beziehen, wie z. B. Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB), Betrug (§ 263 StGB).

Allerdings bieten einige ausgesuchte Rechtsschutzversicherer einen sog. „Spezial-Strafrechtsschutz“ für Unternehmen und Selbständige an. Hier können gewerbliche Risiken, wie z. B. Falschbeurkundung im Amt, durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgedeckt werden.

5. Typische Sachverhalte

Der Prüfer prüft ein Kraftfahrzeug und das Fahrzeug wird verkauft.

Nach kurzer Zeit stellt der Käufer fest, dass das Fahrzeug nicht seinen Wünschen entspricht. Der Verkäufer hat allerdings einen Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag vereinbart, so dass der Verkäufer für etwaige Mängel nicht haftbar gemacht werden kann. Was bleibt? Der Prüfer! Ohne jedoch dem Prüfer die Möglichkeit zu geben, zu dem Sachverhalt Stellung zu nehmen, wird dann eine Strafanzeige erstattet. Damit muss von Amtswegen ein Strafverfahren eingeleitet werden, dass dann Vorwürfe enthält wie Falschbeurkundung im Amt, Betrug, etc.

Ein weiterer Fall ist der, dass im Rahmen einer „Unterwegskontrolle“ durch die Polizei Mängel festgestellt wurden und die HU nicht weit zurück liegt. Nunmehr wird behauptet, dass der Prüfer nicht ordnungsgemäß gearbeitet haben soll und dieses mündet dann in einer Strafanzeige.

6. Neues BGH-Urteil für amtliche Prüfer

Ein Prüfingenieur hatte im Zeitraum von Oktober 2012 bis Januar 2014 in acht Fällen an amtlichen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen Prüfplaketten angebracht und in zwei Fällen das Bestehen der Hauptuntersuchung im Prüfbericht bescheinigt, obwohl die Fahrzeuge mit erheblichen Mängeln behaftet waren. Er wurde vom LG Stuttgart wegen Falschbeurkundung im Amt in 10 Fällen nach § 348 StGB verurteilt. Die von dem Prüfingenieur eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof als offensichtlich unbegründet durch Beschluss vom 16.08.2018 – 1 StR 172/18 zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof nimmt die Gelegenheit wahr, um grundsätzlich zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Falschbeurkundung im Amt nach § 348 StGB vorliegt, wenn eine Prüfplakette erteilt wird, obwohl das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Durchführung der Hauptuntersuchung nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 29 StVZO ist.

Das Gericht stellt fest, dass die an einem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette neben dem Termin der nächsten Hauptuntersuchung auch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Hauptuntersuchung mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB beurkundet.

Das Gericht weicht damit von der bisher überwiegenden Meinung, insbesondere der Oberlandesgerichte, ab. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Ermittlungsbehörden und die Strafgerichte an dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes orientieren werden. Wird ein für die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges erheblicher Mangel bei der Hauptuntersuchung übersehen, kommt ein strafbares Verhalten in Betracht. Ob eine Straftat dann auch vorliegt, hängt davon ab, ob die fehlerhafte Prüfung auch vorsätzlich erfolgt ist.

Hier kann das Urteil im Volltext abgerufen werden:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=1%20StR%20172/18&nr=89718